Annette fragt: Wie kann nachhaltiges (Holocaust-)Gedenken gelingen?

9. November 2023 | Kategorien: Allgemein

In Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus zum 9. November

Annette fragt: Wie kann nachhaltiges (Holocaust-)Gedenken gelingen? Wie sollten/müssen/können/dürfen Jugendliche sich mit dem Thema sinnvoll und nachhaltig auseinandersetzen? Auszüge von einem Artikel von Veronika aus der 10c und Frau Miethe

Stolpersteine, Gedenkstätten, Mahnmale, Reden, Veranstaltungen, Filme, Social Media-Projekte – die Erinnerungskultur zum Holocaust scheint vielfältig. Doch wie ermöglicht man gerade bei Jugendlichen, einer Generation, für die der Holocaust lang vergangene Geschichte zu sein scheint, ein eigenständiges und nachhaltiges Gedenken? Ist das möglich und nötig? 

Auf die Frage, ob wir uns heute noch mit dem Holocaust beschäftigen sollten, lautet meine eindeutige Antwort: JA! Insbesondere in Zeiten, in denen Rechtsextremismus und Antisemitismus immer weiter zunehmen. Auch die jüngste Flugblatt-Affäre um Bayerns Vize-Ministerpräsident zeigt, wie wichtig es ist, Aufklärung zu leisten und gegen rechtsextremistische Strömungen vorzugehen. Selfies mit grinsendem Gesicht vor den Gaskammern in Auschwitz oder Fotos, auf denen Jugendliche über die Blöcke des Holocaust-Mahnmals springen, mit der Bildunterschrift „Jumping on dead Jews“, sorgen zu Recht für Empörung.

Jedoch scheint es wichtig, Menschen dabei den Freiraum zu lassen, ihre eigene Meinung zu bilden, ohne eine aufgezwungen zu bekommen. Ich denke, es ist grundlegend, die Leute zum Nachdenken zu animieren und sich mit dem Thema zu befassen. Darüber hinaus ist es signifikant, gerade Jugendlichen aktive Aneignungsprozesse und die Entwicklung eigenständiger Deutungen und Bewertungen zu bieten. Doch wie ist es möglich?

Aus meiner Perspektive ist der Einbezug im schulischen Unterricht – und nicht nur im Geschichtsunterricht, sondern auch in anderen Fächern – ein guter Ausgangspunkt. Nur denke ich, dass teilweise die Lebendigkeit und die damit verbundene Menschlichkeit des Themas fehlen. Wir als Schüler*innen sehen Fotos, schauen Dokumentationen, lesen Quellen und diskutieren darüber. Ich bin der Auffassung, dass der Unterricht den Schüler*innen mehr Raum geben sollte, sich selbst mehr im Unterricht zu integrieren und damit zu beschäftigen, möglicherweise sogar alltagsnäher: Man sollte zum Beispiel den Schüler*innen die Chance geben, mehr über persönliche Schicksale zu erfahren und zu recherchieren. Meiner Einschätzung nach sollten darüber hinaus vor allem die außerschulischen Lernorte mehr ausgebaut werden, wie Ausstellungen, Denkmäler oder Gedenkstättenfahrten.  Dadurch würde, wie bereits erwähnt, das ‘lebendigere’ Auseinandersetzen mit Geschichte gefördert werden: meine Idee wäre es, Projekte mit Partizipation durchzuführen, in denen man auch mehr mit Gleichaltrigen ins Gespräch kommt und dies mit einem weiteren Schwerpunkt außer der Beschäftigung in der Schule besetzt. Ich denke, dass das Interesse besteht, und dass freiwillige Angebote, wie zum Beispiel die Teilnahme unserer Stufe Q2 an der Gedenkveranstaltung im Landtag am 9.11.2023,  gern angenommen werden.

Gerade bei Menschen in unserer Generation scheint die Erinnerungskultur falsch interpretiert zu werden. Ich glaube, dass es wichtig ist zu zeigen, dass die Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus nicht grausam sein muss. Dass es „Nie wieder!“ heißen muss, ist klar, aber viel mehr bietet es die Möglichkeit zur Empathieförderung, Demokratiestärkung und Völkerverständigung. Die Erinnerungskultur dient nicht nur dazu, uns an eine schreckliche Wahrheit zu erinnern, sondern auch dazu zu zeigen, dass unsere Politik und unser Staat, unsere Geschichte und unser Leben fortschreiten. Und das zum Besseren.