Bewegende Geschichtsexkursion zu den Gedenkstätten Sachsenhausen

7. April 2019 | Kategorien: Allgemein

Ein Erfahrungsbericht von zwei Teilnehmerinnen

KZ Sachsenhausen, Klinkerwerk, Deutscher Widerstand und Gedenken an die Opfer des Holocaust


Klinkerwerk

Am ersten Abend unserer Exkursion nach Oranienburg / Sachsenhausen sahen wir uns das Klinkerwerk an, bei welchem es sich um ein Außenlager des ehemaligen KZ Sachsenhausen handelt. Es war eine Großziegelei, die die nötigen Ziegel für die von Hitler geplante Welthauptstadt Germania beschaffen sollte. Die Zwangsarbeiter dieses Außenlagers wurden in der Propaganda als „glücklich“ dargestellt. Allerdings handelte es sich bei dieser Arbeit um ein Todeskommando, das von den Häftlingen gefürchtet wurde, denn viele der Zwangsarbeiter starben aufgrund von Erschöpfung und Misshandlung durch die SS Besatzung.

Das ehemalige KZ Sachenhausen

Am zweiten Tag unseres Aufenthalts sahen wir uns das ehemalige KZ Sachsenhausen an, welches teilweise rekonstruiert werden musste. Man kann genau erkennen, unter welchen schrecklichen Umständen die Häftlinge leben mussten.

Ein Beispiel dafür ist die Baracke 38. In diesem Raum schliefen einige Häftlinge des Lagers. Jedoch gab es für die Anzahl an Häftlingen viel zu wenig Betten, weshalb sich die Häftlinge Betten teilen mussten. Jedoch taten sie dies auch, um sich im Winter warmzuhalten, da sie sonst erfroren wären. Wir lernten auch, dass auf eben diese Baracken 1992 ein Brandanschlag aus antisemitischen Motiven verübt wurde.
Im Museum, das sich heutzutage im früheren KZ befindet, kann man mehr über die Leben von Einzelopfern und Tätern erfahren. Auch verschiedene Foltermethoden wurden gezeigt, darunter die kalte Dusche, bei welcher die SS Besatzung mit einem kalten Strahl Wasser spezifisch auf die Lungen und das Herz der Häftlinge zielten, bis diese starben. Des Weiteren enthielt das Museum noch Informationen über viele andere Konzentrationslager, z. B. wann und wo sie errichtet wurden, aus welchem Grund etc.

Deutscher Widerstand

Bei der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin erfuhren wir, wie der Name bereits vermuten lässt, von den verschiedenen Formen des  Widerstands innerhalb Deutschlands. Dabei wurde ein besonderer Fokus auf das Attentat Stauffenbergs gesetzt, das auch unter dem Codenamen „Operation Walküre“ bekannt ist. Uns wurde der genaue Ablauf dieses geplanten Attentats auf Hitler erklärt und erläutert, woran es letzten Endes scheiterte. Ein anderer interessanter Aspekt war, dass wir dazu in der Lage waren, alles über jeden einzelnen Beteiligten dieser Operation zu erfahren. Wie waren ihre Namen? Ihre Familien? Wurden sie umgebracht oder konnten sie entkommen? Dasselbe gilt für alle anderen Widerstandsgruppen, über die man dort recherchieren konnte. Dies enthielt selbstverständlich Gruppen wie die Edelweißpiraten oder die Weiße Rose, allerdings auch weniger bekannte. Unter anderem gab man uns einen kurzen Exkurs zum Thema jüdischer Widerstand, der nicht oft im Geschichtsunterricht angesprochen wird.

Mahnmal

Das Mahnmal, welches sich in  der Nähe des Brandenburger Tors befindet, soll an die verstorbenen Juden des Zweiten Weltkriegs erinnern.

Das Mahnmal besteht aus 2711 quaderförmigen Betonsteinen und wurde am 10. Mai 2005 eingeweiht.
Die Betonsteine sind alle von verschiedener Höhe, um die Individualität der Opfer zu repräsentieren. Jedoch steht das Mahnmal in der Kritik, da sich viele Menschen etwas Traditionelleres gewünscht hätten und es sich hierbei in den Augen vieler eher um moderne Kunst handelt.
Eine unterirdische Gedenkausstellung ist ebenfalls Teil dieser Anlage. In dieser Gedenkausstellung kann man die Namen von jüdischen Holocaustopfern einsehen.

Ein Rückblick

Die Exkursion nach Berlin war definitiv eine aufschlussreiche Erfahrung. Man lernt zwar bereits sehr viel über den Zweiten Weltkrieg im Geschichtsunterricht, insbesondere den Holocaust. Doch diese Orte selber zu sehen und zu erfahren, was genau dort geschah, ist komplett anders. Da man selbst nah am Geschehen war, konnte man dadurch einige Aspekte, die man im Unterricht gelernt hatte, besser nachvollziehen und verstehen.

Zudem zeigte uns die Exkursion, dass auch Düsseldorfer, wie der Rechtsanwalt Kaspar Anraths, nach Sachsenhausen deportiert und ermordet wurden.  So erfuhren wir, dass Kaspar Anraths sterben musste, weil er den SS-Blockführern des KZ in der „Isolierung“ „einfach lästig“ war. Oftmals wird nur über „bekannte“ Opfer gesprochen und nicht von denen, die aus der eigenen Stadt stammen. In Sachenhausen haben wir einige kennengelernt und dies machte die Situation noch emotionaler für uns, da diese Beispiele verdeutlichten, dass das grausame Geschehen auch bei uns in Düsseldorf geschah und nicht in irgendeiner Stadt in Deutschland.

Im ehemaligen KZ Sachsenhausen sieht man, wo die Häftlinge lebten und unter welchen Umständen, warum sie verfolgt und auf welche Art und Weise sie umgebracht wurden. Jedoch erfährt man dies nicht nur durch Texte, sondern direkt am Ort des Geschehens. In einem gewissen Sinne macht es diese Geschichte persönlicher und emotionaler, wenn zum Beispiel die Genickschussanlage zu sehen ist, mit der viele Gefangene hinterrücks ermordet wurden.

Wir erhielten des Weiteren viele Informationen über den Holocaust, die wir im Geschichtsunterricht vorher nicht besprochen hatten, da selten im Einzelnen über ein Konzentrationslager gesprochen wird.

Abgesehen davon, dass wir nun um einiges besser informiert sind als zuvor, kann man auch immer etwas aus der Vergangenheit lernen. In diesem Falle heißt dies, zunächst anzuerkennen, wie falsch, brutal und ungerecht die Judenverfolgung bzw. -vernichtung eigentlich war. Etwas, das wir nun, oder zumindest der Großteil der Deutschen, heutzutage begriffen haben: Dass Fremdenhass falsch ist und wir nicht erlauben dürfen, dass es durch diesen erneut zu Gräueltaten kommt. Denn Fremdenhass gehört leider nicht allein der Vergangenheit an, sondern existiert heute noch. Es passiert noch immer, dass Menschen einen „Sündenbock“ suchen, nur um von eigenen Problemen abzulenken. Vielfach werden diese „Sündenböcke“ in Angehörigen anderer Ethnien gefunden.

Eine Exkursion wie diese ist eine gute Möglichkeit, sich mit anderen über diese Themen auszutauschen. Dabei bleibt die Zahl der Gesprächspartner nicht auf die Gruppenmitglieder beschränkt, sondern bezieht auch Familienmitglieder mit ein, insbesondere diejenigen, welche die Geschichte selbst erlebt haben oder selbst ähnliche Erfahrungen gesammelt haben. Die Gedenkstättenfahrt sorgte somit vor allem in der Familie einer der Autorinnen dieses Textes für intensive Gespräche, denn die Familie stammt aus Polen. Dort gehört es in Schulen zum Pflichtprogramm, eine Auschwitz-Fahrt zu absolvieren.

2017 besuchte ich Auschwitz zusammen mit meiner Familie. Die Fahrt nach Sachsenhausen belebte die Erinnerung und initiierte ein intensives Vergleichen. Im Gegensatz zu Sachsenhausen war Auschwitz-Birkenau ein Vernichtungslager, in dem über eine Millionen Menschen den Tod fanden. Deshalb war Auschwitz im Vergleich zu Sachsenhausen auch deutlich größer. Seine aus NS-Sicht „verkehrsgünstige“ Lage und großflächige Umgebung, die eine Tarnung des Vernichtungslagers zuließ, machten es zu dem wichtigsten „Stammlager“ der Nationalsozialisten. Zwar nahm Sachsenhausen aufgrund seiner Nähe zu Berlin und damit auch zur Gestapozentrale eine Sonderrolle im KZ-System ein, so dass es für „Ausbildungszwecke“ der SS genutzt wurde, doch wurde es kein Vernichtungslager wie Auschwitz-Birkenau.

Leider muss ich sagen, dass Auschwitz besser erhalten und ausgestattet ist als Sachenhausen selbst. Die Dimensionen in Auschwitz sind aufgrund seiner Größe und vor allem des Ausmaßes des Massenmords noch erdrückender als in Sachsenhausen. Der „Nachteil“ bei einem Auschwitz-Besuch jedoch ist, dass dieses Lager nunmehr zu einer „Touristenattraktion“ geworden ist; der ursprüngliche Gedanke der Aufklärung und Sensibilisierung für dieses Thema ist meines Erachtens in den Hintergrund getreten. Deshalb empfand ich den Besuch in Sachsenhausen als angenehmer und persönlicher, da man nicht schnell und in großen Gruppen durch das ehemalige Konzentrationslager geführt wurde, sondern einen persönlichen Ansprechpartner der Gedenkstätte an seiner Seite hatte, der die Geschehnisse anschaulich erklärte und zudem genügend Raum ließ, um sich mit den auf verschiedene Weisen aufbereiteten Themen in dem Museum individuell auseinandersetzen zu können.

Beide Besuche haben mich zum Nachdenken angeregt und mich auch in gewisser Weise verändert. Ich bin seitdem der Meinung, dass allen Jugendlichen ein KZ-Besuch möglich sein sollte. Es muss nicht eine weitere Reise nach Polen sein, um Auschwitz oder Sobibor zu besuchen, denn alle früheren KZ, die man besuchen kann, zeigen die Grausamkeit der Nazi-Zeit, weshalb Sachenhausen auch eine gute Erfahrung für die Zukunft sein kann.

Deshalb bin ich auch sehr froh und dankbar, dass ich dies mit meinem Kurs erleben durfte.

Der Dank aller Fahrtteilnehmer gilt vor allem der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn, die diese Gedenkstättenfahrt durch Fördermittel großzügig unterstützt und somit die Fahrt erst möglich gemacht hat. Durch diese Exkursion konnten wir nicht nur unser Wissen über den Nationalsozialismus grundlegend erweitern, sondern Geschichte authentisch vor Ort erfahren und somit teilhaben an aktuellen Formen der Auseinandersetzung mit Geschichte, die immer auch Fragen nach gegenwärtigen wie zukünftigen Herausforderungen an die Demokratie aufwerfen.