Briefe an Annette von Droste-Hülshoff

8. Dezember 2022 | Kategorien: Aktuelles, Allgemein

Porträt von Annette von Droste-Hülshoff von Johann Joseph Sprick (gemeinfrei)

Im Juli 1843 schreibt Annette von Droste-Hülshoff an ihre enge Freundin Elise Rüdiger:

„Ich mag und will jetzt nicht berühmt werden, aber nach 100 Jahren möchte ich gelesen werden.“

In dieser Aussage spiegeln sich die Schwierigkeiten, mit denen schreibende Frauen wie Annette von Droste-Hülshoff und Elise Rüdiger Anfang bzw. Mitte des 19. Jahrhunderts konfrontiert waren: Weil sie Frauen waren, durften sie nicht publizieren! Eine (zu) gute Bildung war zudem aus männlicher Sicht ein Ausschlusskriterium für eine Heirat.

Annette von Droste-Hülshoff litt sehr unter dieser Situation, war sie doch, wie man heute sagen würde, eine Hochbegabte, die nicht nur im literarischen Bereich Außerordentliches zu leisten vermochte, sondern auch komponierte und virtuos Klavier spielte.

Der Deutsch-LK der Q1 hat sich intensiv mit ihrer Person und ihrem Werk auseinandergesetzt und der Dichterin postum eine Rückmeldung zu ihrem Wunsch gegeben. Es folgt eine Auswahl an Briefen an Annette von Droste-Hülshoff:

Liebe Annette,

nun ist es schon fast 200 Jahre her, dass du die Welt mit deinem besonderen Intellekt beglücken konntest. Möglicherweise erinnerst du dich nicht mehr daran, aber du schriebst einmal, dass man in 100 Jahren noch deine Werke lesen soll, wobei es womöglich nicht unwichtig ist, dass der Brief von einer Schülerin verfasst wurde, die das Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium besucht. Es hat sich wohl doch einiges in der Gesellschaft verändert und glaube mir, Annette, so ziemlich all deine Wünsche und Forderungen nach Freiheit und Selbstbestimmung für Frauen sind in Erfüllung gegangen. Ich muss mich heutzutage nicht mehr für mein Wissen schämen, sondern kann, ganz im Gegenteil, sehr stolz darauf sein. Du bist und warst ein Vorbild für viele Generationen und selbst im 21. Jahrhundert inspirierst du Frauen in ganz Deutschland. So dürfen Frauen mittlerweile ohne Begleitung eines Mannes ihr Leben in vollen Zügen genießen, dürfen jeden beliebigen Beruf ausüben und, in Anlehnung an dein Gedicht „Am Turme“, welches du 1842 verfasst hattest, auch ihre Haare lösen und sie im Winde flattern lassen. Ja, deine Werke werden heute ebenfalls noch gelesen und ermutigen junge Menschen sich für die Rechte der Frauen einzusetzen. Natürlich gibt es noch keine vollständige Gleichstellung von Frauen und Männern, da die Denkweise, dass die Frau das schwächere Geschlecht ist, tief in den Köpfen der Menschen verwurzelt ist, jedoch haben wir gigantische Fortschritte gemacht und Tag für Tag bessert sich die Situation.
Ich hoffe, dass du durch meinen Brief nun unsere, verglichen zu deiner Zeit, doch recht liberale und progressive Gesellschaft nachvollziehen kannst und Stolz während des Lesens der Zeilen verspürt hast.
Vielen Dank für deine Emanzipation!


Nina

Liebe Annette,

es sind nun circa 180 Jahre nach Deinem Tod vergangen. Seither hat sich einiges verändert, was sicherlich zu Deiner Freude ist. Zu Deiner Zeit war das Bild der Frau extrem negativ besetzt und Intelligenz wurde bestraft. Dies hat sich inzwischen komplett verändert. Alle Mädchen und Frauen haben mittlerweile freien Zugang zu Bildung und Intelligenz wird hoch angesehen.

Für Frauen ist es noch immer nicht ganz einfach und sie müssen sich eher beweisen als Männer, dennoch hat sich die Situation der Frau erheblich verbessert. Alleine, dass Angela Merkel von 2005 bis 2021 Bundeskanzlerin Deutschlands war, sagt viel über die Entwicklung der Situation der Frau aus.

Auch Du hast einen erheblichen Einfluss auf die Gesellschaft, wie Du es Dir in einem Brief an Elise 1843 gewünscht hast. So war Dein Gesicht damals auf dem 20 Mark Schein abgebildet, woran Du merken kannst, dass Du nach Deiner Zeit sehr einflussreich warst und die Gesellschaft im Positiven geprägt hast.

Deine Werke werden auch knapp 180 Jahre später immer noch gelesen und viele Schülerinnen und Schüler befassen sich mit ihnen im Unterricht, analysieren und interpretieren sie fleißig, sodass wir einen Einblick in Dein Leben erhalten und viel über Dich als Person und Deine Gefühle lernen. Schließlich wollte ich Dir außerdem mitteilen, dass in Deutschland auch Schulen nach Dir benannt wurden. Auf eine davon gehe ich, das Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium. Damit auch jeder weiß, wie Du ausgesehen hast und Dich kennt, haben wir eine kleine Statue von Dir hier in der Schule und Dein Gesicht gilt auch als Logo.

Somit hast Du also einen großen Einfluss auf die heutige Jugend, worauf Du sehr stolz sein kannst!

Lucia B.

Liebe Annette,

Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie stolz das ganze Land Deutschland und ich auf Dich sind. Durch Dich hat die Frau eine Position erreicht, die sich nicht mehr von dem Mann unterscheidet. Aber warum warst Du dafür verantwortlich? Ich glaube, es war immer Dein größter Wunsch, Deine Gedichte zu veröffentlichen. Und was soll ich sagen? Du hast nicht nur das geschafft. Kurz nach Deinem Tod sind sie noch im 19. Jahrhundert erschienen und werden bis heute gelesen. Du hast Dich getraut, verbotenerweise Gedichte als Frau zu schreiben, mit denen Du anderen Frauen Hoffnung schenken konntest. Dieses Abenteuer und den Reiz, trotz Beschränkungen etwas zu erreichen, hast Du in einem Deiner bekanntesten Gedichte, „Am Turme„, sinnbildlich beschrieben. Jede und jeder kennt Deine Gedichte, so zum Beispiel die Ballade „Der Knabe im Moor“.

Viele Deiner Gedichte haben die Rolle der Frau verdeutlicht und auf die Benachteiligung gegenüber dem Mann aufmerksam gemacht. Aufgrund Deiner Gedichte konnten viele Frauen eine Zugehörigkeit zur Gesellschaft verspüren und damit hast Du einen Beitrag dazu geleistet, dass die Unterschiede zum Leben des Mannes immer weiter aufgehoben wurden. Dein Mut ist dafür mitverantwortlich, dass die Frau in den Berufen arbeiten kann, die sie will, anziehen darf, was sie will, tun kann, was sie will, und, ja, auch die Haare offen tragen darf. DasVerdienst dieser von Dir verwendeten Metapher des Gedichts „Am Turme“ ist es, dass auch die meisten Männer sich bewusst machten, dass diese Diskriminierung der Frau altmodisch war und nicht mehr der Realität entsprechen sollte. Heute bist Du eine Heldin für viele Frauen und der Stolz des ganzen Landes. Nicht nur, dass wir uns mit Deinen Gedichten intensiv im Deutsch-Lk beschäftigen, auch der 20 D-Mark Schein, auf dem Du abgedruckt warst, und unsere Schule, die nach Dir benannt worden ist, zeigen, welch eine große Bedeutung Du auch noch 175 Jahre nach deinem Tod hast.

Jasper S.

Liebe Annette,

ich bewundere Ihre Werke schon seit längerer Zeit. Nachdem wir Ihre Gedichte intensiv im Deutsch-LK behandelt haben, finde ich es äußerst bemerkenswert, wie viel Mut und gleichzeitige Zielstrebigkeit Sie zu Ihrem Erfolg geführt hat. Der Erfolg war bedauerlicherweise zu Ihren Lebzeiten noch nicht so prägend, wie es in der heutigen Zeit ist. Sie gehören zu den bedeutendsten deutschsprachigen Dichtern des 19. Jahrhunderts. Die Lebensspanne von Ihnen fiel in eine Zeit der politischen Umbrüche und wirtschaftlicher Einschränkungen, die als Biedermeier in die Geschichte einging. Es war Ihnen somit möglich, sich letztlich gegenüber der klar dominierenden Männerfraktion durchzusetzen und die deutsche Lyrik maßgeblich zu prägen. Zwar konnten Sie zu Lebzeiten nicht politisch wirken, gelten mittlerweile aber als eine der einflussreichsten historischen PersönlichkeitenDeutschlands. Den Einfluss kann man unter anderem daran erkennen, dass es viele Denkmäler gibt, welche Ihren Erfolg darstellen sollen. Ich gehe sogar auf das AnnettevonDroste-Hülshof Gymnasium und bin mehr und mehr stolz darauf, dass Sie unsere Namensgeberin sind.

Flemming S. 

Liebe Annette,

ich wünschte, du wüsstest, welche Bedeutung du auch heute noch hast.

Nun 180 Jahre nach deinem Tod werden deine Werke in Schulbüchern gelehrt und du hast deine Zeit als weibliche Schriftstellerin enorm geprägt.

Du warst sogar auf dem zwanzig Mark Schein, bist Namensträgerin von vielen Straßen, Plätzen und ebenfalls von meiner Schule in Düsseldorf.

Auch in deinem Geburtsort Münster ist ein Gymnasium nach dir benannt.

Ich wünschte, du könnest sehen, wie Frauen heutzutage leben, auch wenn nicht überall auf der Welt dieselben Rechte und Lebensverhältnisse für Frauen herrschen, hat sich die Lage in Deutschland stark verändert und das haben wir zu einem großen Teil auch dir zu verdanken. Denn nun wird es als normal angesehen, wenn Frauen gebildet sind und schreiben oder komponieren, wie du es so gerne zu deiner Zeit tatest.

Der Traum aus deinem Gedicht „Am Turme“ aus dem Jahr 1842, welches der Epoche des Biedermeier zuzuordnen ist und die Sehnsüchte sowie die Wünsche einer Frau behandeln, welche diese allerdings auf Grund der Konventionen der damaligen Zeit nicht erfüllen konnte, hat sich nun verwirklicht. Denn Frauen können nun offen ihr Haar lösen, ohne von der Gesellschaft verurteilt zu werden.

Danke, dass du die Emanzipation so weit vorangetrieben hast.

Dein Wunsch, nach 100 Jahren noch gelesen zu werden, hat sich verwirklicht und du bist eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen deiner Zeit geworden.

Lotta S.