Faust 3? Wir waren dabei!
Faust 1 und 2 – und 3? Es gibt doch nur zwei Teile der berühmten Tragödie aus Goethes Feder, oder nicht? Auch unser Deutsch Grundkurs der Q2 war zunächst sichtlich verwirrt, als Frau Lehmkühler uns im vergangenen Schuljahr dieses neue Theaterstück des Jungen Schauspielhauses vorstellte. Als Kreativ-Klasse hatten wir die besondere Gelegenheit, einen tiefen Einblick hinter die Kulissen eines solchen Projekts zu erhalten – von der ersten Probe bis hin zur Premiere begleiteten wir das Stück. Im Unterricht hatten wir „Faust: Der Tragödie Erster Teil“ gelesen und uns mit einem Referat über den zweiten, bei Schülern wenig beliebten und oft als verwirrend empfundenen Teil auseinandergesetzt. Doch ein dritter Teil? Davon hatte niemand je gehört – unser Interesse war sofort geweckt. So besuchte uns kurz vor Ende des letzten Schuljahres die Theaterpädagogin Ilka Zänger vom Jungen Schauspielhaus. Im Gepäck hatte sie die ersten Szenen des neu inszenierten Stückes „Faust 1+2+3“, geschrieben von Felix Krakau, der schon in der vergangenen Spielzeit eine moderne Version von Schillers „Die Räuber“ auf die Bühne brachte. Zu unserer Überraschung durften wir als eine der ersten Gruppen überhaupt einen Blick auf Krakaus neuestes Werk werfen. Doch schon nach den ersten Zeilen wurde klar: Das war nicht der „Faust“, den wir aus dem Unterricht kannten. Mit einer frischen, modernen Sprache und überraschend anderer Handlung brachte das Stück uns alle zum Staunen. Einige Tage später, am 18. Juni, führte unser Weg im Rahmen der Vorbereitungen ins Goethe-Museum nach Düsseldorf. Dort erhielten wir eine spannende Führung, die uns tiefere Einblicke in Goethes Leben und insbesondere in die Entstehungsgeschichte seines bekanntesten Werks „Faust“ gab.
Am 20. Juni durften zwei von uns an der Konzeptionsprobe des neuen Stückes im Central am Düsseldorfer Hauptbahnhof teilnehmen. Solche Proben sind besonders, da hier alle Mitwirkenden – Schauspieler, Regisseur, Kostüm- und Bühnenbildner – zum ersten Mal zusammenkommen. Nach einer herzlichen Begrüßung hielt Krakau eine aufschlussreiche Rede über seine Motivation und die Hintergründe des Stücks, bevor die ersten Entwürfe des Bühnenbilds präsentiert und das Skript erstmals gemeinsam gelesen wurde. Obwohl der Text auch für die Schauspieler noch neu war, spürte man schon in dieser ersten Lesung die Emotionen und die Vision des neuen Stücks. Die anschließende Besprechung bot uns die Möglichkeit, Feedback zu geben – eine wertvolle Erfahrung, da die Zusammenarbeit mit jungen Schülern für das Team des Jungen Schauspielhauses ebenso ungewohnt wie spannend war. Unsere Rückmeldungen wurden von Krakau ebenso ernst genommen wie die der professionellen Beteiligten.
In diesem Schuljahr machten wir uns als Kreativ-Klasse intensive Gedanken darüber, wie wir uns aktiv am Projekt beteiligen könnten. Schnell kamen wir auf die Idee, ein fiktives Interview zwischen Goethe und der Namensgeberin unserer Schule, Annette von Droste-Hülshoff, zu inszenieren. Das Interview sollte sich um Goethes Inspiration für den „Faust“, seinen Schaffensprozess und seine Meinung zu dieser neuen Interpretation drehen. Das Skript entstand zügig, und zwei SchülerInnen wurden für die Rollen von Goethe und Annette auserkoren. Am 29. August besuchten wir erneut eine Probe, mit anschließender Nachbesprechung – diesmal jedoch ohne Regisseur und Schauspieler, die intensiv weiterarbeiten mussten. Dafür erhielten wir wertvolles Feedback von der Theaterpädagogin und der Dramaturgin. Nach dem Probenbesuch legten wir den letzten Schliff an unserem Interview-Skript an, und unsere Dreharbeiten konnten beginnen. Dank des großzügigen Fundus des Schauspielhauses fanden unsere Darsteller passende Kostüme, und im Makerspace unserer Schule nahmen wir das Interview vor einem Greenscreen auf. Unter Zeitdruck, aber mit viel Hingabe entstand ein beeindruckender Kurzfilm, der schließlich am 15. September bei der Premiere von „Faust 1+2+3“ im Jungen Schauspielhaus gezeigt wurde. Die Uraufführung selbst war ein voller Erfolg: Es wurde viel gelacht, aber auch nachdenkliche Momente kamen nicht zu kurz. Krakaus Inszenierung beleuchtete die „höchsten Höhen und tiefsten Tiefen“ des Lebens und regte das Publikum zum Nachdenken an. Am Ende gab es minutenlange Standing Ovations – ein würdiger Abschluss eines spannenden Projekts. Unser Einblick in die Entstehung dieses Stückes war nicht nur eine außergewöhnliche Lernerfahrung, sondern auch ein inspirierendes Beispiel dafür, wie klassisches Theater für eine moderne, junge Generation neu gedacht werden kann. Die Verbindung von Goethe und Gegenwart hat uns gezeigt, dass Literatur nicht nur verstaubt im Regal stehen muss, sondern lebendig und aktuell bleiben kann – wenn man den Mut hat, sie neu zu interpretieren.
Hier geht es zum Video:
https://drive.google.com/file/d/1p9GjmJscn6UnDccLU3HxVtox5DX2Qw85/view